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5. Oktober 2024

FELDENKRAIS IST SPIELEN 
Feldenkrais ist Spielen, ich spiele mit Möglichkeiten, probiere aus, staune wo es mich hinbringt, habe keine Absicht, ausser meiner Neugier und Freude zu folgen.

Ich tue etwas und betrachte es dabei genau. Ich zerlege es in seine Einzelteile und untersuche es von allen Seite, setze es erneut zusammen - aber anders - und schaue was geschieht. Ich kehre zum Anfang zurück, tue es erneut und betrachte es dabei genau, was hat sich verändert?

18. August 2024

FREIBAD 
Im Sommer ins Freibad gehen, meine neue, alte Leidenschaft, denn sie weckt viele Kindheitserinnerungen und Erinnerungen an die Zeit, als meine Kinder klein waren. Nun schaffe ich neue Erinnerungen, ich bin sozusagen in der 3. Freibadphase. 
 
Eine wirklich alte Dame sitzt in Badekleidung auf ihrem Handtuch auf einer Bank, es sieht nach Stammplatz aus. Sie liest dort ein Buch, schaut dem Treiben zu oder unterhält sich kurz mit anderen, auch ich grüße sie bereits an meinem dritten Tag und sie lächelt mir freundlich strahlend zu und ich beschließe, das möchte ich auch bis ans Ende meiner Tage tun können, ins Freibad gehen.
 
Im Becken gibt es für die Sportschwimmer*innen extra Bahnen, die Kampfschwimmer*innen nehmen sich ihren Raum auch im Freizeitbereich des Schwimmerbeckens, schwimmen wild entschlossen, ohne auszuweichen oder anzuhalten. Und dann gibt es die vielen Anderen. Es wird gelacht, gelächelt, getratscht, erzählt, beraten, gespielt, getaucht, probiert, belehrt, behütet, beäugt, vor allem gebalzt, gezeigt, geschaut, geträumt und ja auch geschwommen.
 
Man hört die Geräusche der Sprungbretter, wenn sie mitfedern, unendlich viele Gesprächsfetzen, Rufe und Gelächter und über dem ganzen liegt so ein Freibadgrundton, ein fröhliches Lärmen, als gäbe es kein Morgen oder Gestern und ein Freibadgrundgeruch von Wiese, Chlor und Pommes.
 
Bis mittags und manchmal auch am frühen Abend kann man das alles haben und genügend Platz zum Schwimmen. Ich schwimme 30 Minuten, Bahnenzählen hat keinen Sinn, erstens verzähle ich mich dauernd und außerdem gibt es viele Gründe vor dem Ende der Bahn zu wenden. Die Ränder des Beckens sind meistens besetzt und die Aussicht auf eine freie Bahn lässt mich oft früher wieder umkehren, ein bisschen Flexibilität und auch Wohlwollen den Menschen gegenüber empfiehlt sich für ein gutes Freibaderlebnis. 
 
Auch schwimmend kann man Feldenkrais machen. Ich probiere kleine Veränderungen und Varianten aus, nutze immer mal wieder nur die Beine oder nur die Arme oder auch mal nur einen Arm. Ich spiele mit dem Atem und der Kopf- oder Fußhaltung, meinen Absichten, der Blickrichtung oder versuche einfach nur wahrnehmend zu sein. Und wenn es zu voll ist, dann mache ich das Freibad ein wenig leerer und gehe wieder heim.
 
MORAL
Es gibt nichts Gutes 
außer: Man tut es.

(Erich Kästner / Sammlung „Kurz und bündig“)

27. Mai 2024

KATZE BEIM FELDENKAIS 
Ich strecke mich auf meinem Lieblingsplatz, dem Fensterbrett, die Vorderpfoten weit vor mir, den Po hoch in der Luft. Dann drehe ich mich um selbst, einmal links herum, dann rechts herum und lasse mich schließlich mit einem Seufzer nieder. Mein wunderbarer Fellschweif legt sich um mich, was brauche ich mehr?

Unwillkürlich fange ich an zu schnurren, das vibriert so angenehm in meinem Bauch, als meine Menschin hereinkommt und sich auf den großen weißen Teppich legt, auf dem ich auch gerne schlafe. Man riecht danach zwar ein bisschen nach Schaf, aber Schafe sind schließlich nette Tiere.

Mit halb geschlossenen Augen verfolge ich ihre fließenden Bewegungen, die so beruhigend wirken, das mir die Augen immer wieder zufallen. Jede ihrer Bewegung ist bedacht und sanft und sehr langsam und fast anmutig. Es ist, als ob sie einen Tanz ohne Musik ausführe, als folge sie einer inneren Melodie. Je mehr sie mit ihrer Konzentration bei sich ankommt und sie damit den Raum erfüllt, desto tiefer sinke ich in den Schlaf.

Und als ich wieder aufwache, weil sie sich auf die Seite rollt und voll innerer Ruhe und strahlend wieder aufsteht, glaube ich fast, wir haben beide ein wenig geschlafen. Ich gähne zufrieden, rolle mich, mich einmal streckend, andersherum wieder ein und lege meinen Kopf wieder auf die Pfoten. Für einen Menschen ist sie gar nicht mal so übel.

12. März 2024

ICH-BILD 
"Ein jeder bewegt sich, empfindet, denkt, spricht auf die ganz ihm eigentümliche Weise, dem Bild entsprechend, das er sich im Lauf seines Lebens von sich gebildet hat. Um Art und Weise seines Tuns zu ändern, muss er das Bild von sich ändern, das er in sich trägt“ Moshé Feldenkrais aus 'Bewusstheit durch Bewegung'  

Die Bilder und Vorstellungen, die wir von uns oder unserem Tun haben, sind oft so, dass wir sie nicht für Bilder sondern Tatsachen halten. Sie bestätigen sich sozusagen die ganze Zeit selbst, indem sie unsere Erfahrungen begrenzen, aus denen heraus sie sich bilden.

Wer seinen Arm auf eine bestimmte Höhe hebt und nicht höher, weil in ihm keine Vorstellung oder Bild davon existiert, wie er es anstellen könnte, wird immer wieder erneut feststellen, seinen Arm nicht höher heben zu können und das Bild beibehalten. Wer erfahren kann, wie z. B. die Rippen, die Wirbelsäule, das Brustbein, die Schlüsselbeine einen in der Absicht unterstützen können, wird den Arm höher heben und sein Bild von der Bewegung und den eigenen Möglichkeiten erweitern.

Und ganz nebenbei wird aus "Ich kann nicht" ein "Ich kann" und ein: "Wer weiß was noch möglich ist, wenn so wenig schon eine Verbesserung schaffen kann?"

26. Januar 2024

GESUNDHEIT
Was ist eigentlich Gesundheit? Reicht es, zu sagen was es nicht ist: Gesundheit ist die Abwesenheit von Krankheit? Und was ist dann Krankheit, die Abwesenheit von Gesundheit?

Die WHO definierte 1948 Gesundheit so:
"Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen.“

Dr. Moshé Feldenkrais formuliert während eines Gesprächs mit Schülern zum Thema Gesundheit:
„Viele Menschen wirken gesund, setzt du sie aber unter Stress, geraten sie außer Balance, begehen Selbstmord, gehen in psychiatrische Behandlung, ohne sich jemals zu erholen oder sterben einfach. Die Menge Schock, die ein System erfahren kann und noch in der Lage ist, sich davon zu erholen, ist ein möglicher Maßstab für Gesundheit. Ein Mensch, der einen Schock erlebt und sich dadurch nicht verliert, sondern in der Lage ist, sich zu organisieren, zu sehen, was seine Möglichkeiten sind und was und wie es zu tun ist, der ist gesund. (...)“

Und etwas später im Gespräch mit seinen Schülern geht er noch einen Schritt weiter:
„Gesundheit ist, wenn eine Person fähig ist, innerhalb seines Lebens und Umfelds, seine Träume zu realisieren. Gemeint sind die Art von Träumen, die er gehabt hat, als er noch nicht darin verwickelt war, keine Träume mehr zu haben.“

Wie träumten wir als Kinder?
Unsere Kindheitsträume handelten weniger von Besitz dafür mehr von Fähigkeiten und Können und von bestandenen Abenteuern. In unseren Kindheitsträumen, waren wir zu allem befähigt und ermächtigt und der Mittelpunkt unserer Welt. In unseren Kindheitsträumen schränkten wir uns nicht ein und es gab kein Ja-aber. Als Kinder konnten wir unsere Träume noch fühlen und machten sie dadurch wirklich, wir erlebten unsere Träume.

Wie sieht dein Traum mit diesen Qualitäten aus? Realisierst du ihn?

 

9. Dezember 2023

WAS IST RICHTIG?
Das werde ich oft gefragt beim Unterrichten von Feldenkrais Lektionen. Ob etwas richtig oder falsch ist, ist in der Regel ganz davon abhängig, was man tun möchte, welche Absicht man verfolgt und was man an Besonderheiten oder Eigensein mitbringt. Jemand der hinter einem Bus her rennt, wird anders atmen, als jemand, der Einschlafen möchte. Und jemand mit Skoliose wird sich beim Bewegen anders organisieren, als jemand ohne.

Beim Feldenkrais ist es „richtig“, eine Bewegung zu erforschen, sie auszuprobieren, zu probieren, wie mache ich eigentlich diese Bewegung und gibt es einen Weg sie noch leichter, fließender, angenehmer zu machen? Da kann es auch mal „richtig“ sein, etwas bewusst „falsch“ zu machen, wenn es uns hilft, verstehen zu lernen, wie wir etwas leichter, angenehmer und angemessener tun können.

"Wenn ihr nicht wisst, was ihr tut, ist es falsch. Auch wenn ihr das Gegenteil tut von dem, was ich sage, ist es richtig, wenn ihr wisst, dass ihr das Gegenteil tut.  Wenn ihr es nicht wisst, ist es falsch, selbst wenn ihr macht, was ich sage, ist es falsch, wenn ihr dabei nicht wisst was ihr tut.“ Dr. Moshé Feldenkrais

Vielleicht ist es beim Feldenkrais falsch, etwas mechanisch zu tun, weil man dabei nicht fühlt was man tut und somit auch nicht lernt und den Umgang mit sich selbst zu erlernen, ist eine Absicht der Methode. Fürs Autofahren kann es goldrichtig sein, etwas mechanisch zu tun und nicht erst lange auszuprobieren, welche Möglichkeiten zu bremsen es noch geben könnte und wie sich das dann anfühlt.  

Wiederholung ist kein gutes Mittel zu grundlegendem Lernen, aber sie ist nützlich, um ein schon Erreichtes vertraut werden zu lassen. (Dr. Moshé Feldenkrais, Die Entdeckung des Selbstverständlichen)  

In der Frage nach richtig oder falsch steckt vielleicht auch der Wunsch nach Halt und Sicherheit. Und wenn etwas nicht richtig ist, ist es dann gleich falsch? Schließt ein Richtig alle anderen Möglichkeiten aus, auch richtig sein zu können?
Bewusst oder unbewusst schwingt eine Bewertung mit, in der Feststellung, ob etwas richtig oder falsch sei. Und vielleicht ist die Frage nach Richtig oder Falsch nicht „nicht richtig“ sondern einfach nicht hilfreich?  

Um zu einer richtigen Bewegung zu gelangen, ist vorerst eher an bessere Bewegung zu denken als an richtige; denn die richtige Bewegung hat keine Zukunft: sie lässt sich nicht weiter entwickeln. (...) Das Bessere kann verbessert werden; das Richtige bleibt Grenze für immer. (Dr. Moshé Feldenkrais, Die Entdeckung des Selbstverständlichen)

Stattdessen könnte man sich fragen: Wie kann ich es verbessern? Wie kann es leichter oder angenehmer werden? Wie stimmig fühlt es sich im Moment für mich an? Tue ich wirklich das, von dem ich glaube, dass ich es tue? Ist dies meine einzige Option oder gibt es noch mehr Möglichkeiten? Wie kann ich tun, was ich tun möchte?

„Machen Sie ruhig viel falsch! Ich meine das sehr ernst, denn wir sind erzogen in lauter Angst vorm Falschmachen. Diese Sorge betrügt uns mit am wirkungsvollsten ums lebendige Leben. Das Prestige, die Geltung scheint für die meisten davon abzuhängen, dass niemand etwas an ihnen aussetzen kann. Hat man einen Fehler gemacht, ist man zufrieden, wenn er von niemandem bemerkt wird. (...) Fast alle Beunruhigtheit und Angst kommt daher, dass man anstatt zu sein, wie man im Moment sein kann, sich Mühe gibt, zu scheinen. Ob wir das bewusst oder unbewusst tun, spielt keine Rolle. Wir wollen auch vor uns selbst immer irgendwie „aussehen“, „erscheinen“. Das ist die Belastung, die wir unserer Erziehung verdanken.“ (Heinrich Jacoby, Jenseits von Begabt und Unbegabt)

Winter ist auch vom Sommer träumen.

 

7. Oktober 2023

HERBST
Es duftet nach Herbst, tief, erdig, ein bisschen klamm und geheimnisvoll, nach frischem Wind und Einkehr, Innehalten und Gewahr werden. Ich bin nun gerne mit mir, mit mir im Wald, mit mir in Gedanken, mit mir versunken in Betrachtungen, mit mir in einen Dialog vertieft. Nach einem Feuerwerk der Farben werden die inne liegenden Strukturen zum Vorschein kommen. Landschaften zeigen Linien und Muster von Ackerfurchen und Horizonten. Bäume ohne Blätter lassen mich wieder die Rinde wahrnehmen und die Struktur ihrer äste, ich kann sehen, wie die Dinge gewachsen sind. Der Wind zeichnet Muster in Grasflächen, Wolkenbilder ziehen schneller am Himmel. Die verschwundene Sommerfarbe in den Gesichtern bringt die feinen Linien des Lebens zum Vorschein. Die Bäume geben den Blick wieder frei auf die Strukturen der Architektur. Ich schwanke zwischen Kopf einziehen vor dem Wetter und den Blick zum Himmel heben. Herbst ist eine stille Freude.

 

11. August 2023

BANDSCHEIBEN

Entsteht ein Bandscheibenvorfall durch zu wenig Muskulatur oder durch eine dysfunktional arbeitende Muskulatur? Und welche Fragen könnte ich mir stellen, um meinen Muskeln behilflich zu sein?

Wenn wir etwas tun sollen, was wir nicht tun möchten oder etwas tun wollen und nicht können, wirken in uns widerstreitende Kräfte und bringen uns in eine Zwickmühle.

Das ist, als würden sich Beuger und Strecker gleichzeitig anspannen. Spannen sich Beuger und Strecker für den Rücken zugleich an, nimmt das den Rücken wie in einen Schraubstock, das kann zu Kompression in den Bandscheiben führen, zu Unbeweglichkeit und Erstarrung. Angst und Kummer oder nicht dürfen und nicht können, kann die Beuger ansprechen.

Aufrecht stehen bleiben wollen, das Gleichgewicht wahren wollen, ins Tun kommen wollen, kann die Strecker ansprechen.
Arbeiten Beuger und Strecker gleichzeitig und fixieren unseren Rücken, werden die Bandscheiben nicht mehr gut versorgt und nutzen sich ab. Durch Bewegung würde das Gewebe der Bandscheiben versorgt werden, wie bei einem Schwamm, den wir ausdrücken, damit er sich mit frischem Wasser wieder vollsaugt. Ausdrücken und Vollsaugen wird durch Bewegung erzeugt. Bewegen wir einen Bereich des Körpers nicht mehr, erstarrt und verklebt dieser Bereich immer mehr auf faszialer Ebene, es wird nichts Frisches und Nährendes mehr aufgesaugt und andere Bereiche müssen mehr arbeiten.

In der Folge fängt Bewegung an, uns unnatürlich viel Anstrengung zu kosten. Auch können uns Körperregionen schwer vorkommen, wenn Beuger und Strecker fest sind und wir gegen diese Erstarrung anarbeiten wollen. Die entstehenden Scherkräfte können Wirbel aus dem Lot ziehen und/oder die Bandscheiben kompressieren, was beides zu Schmerzen führen kann.

Was lässt mich erstarren, wo fühle ich mich widersprechenden Kräften ausgesetzt, zerrissen, ambivalent, wo bleibe ich aufrecht, obwohl es mich zusammenzieht, wo sitzt der Kummer, den ich mir nicht erlaube?

Natürlich brauchen wir Muskeln. Während ein Muskel arbeitet, sollte der Gegenspieler gehemmt sein. Wenn der Rücken schmerzt, arbeiten oft Agonist und Antagonist gleichzeitig und wir brauchen immer mehr Kraft, uns dort zu bewegen, bzw. der Rest des Rückens muss mehr Arbeit übernehmen und wird überlastet, da ein Teil nicht mehr mitmacht.

Wir benötigen also nicht einfach nur mehr Muskulatur sondern eine differenziert arbeitende Muskulatur, die es uns möglich macht, die Arbeit gut zu verteilen und Hemmen und Anspannen angemessen aufeinander abzustimmen. Ein einfach nur "besser" angespannter Muskel stabilisiert zwar einen Bereich, aber hält ihn auch fest und unbeweglich.

Wie ausgewogen ist also mein Leben, stimmt die Verteilung von Müssen und Wollen, von Herausforderung und Erholung?


3. Juni 2023

MAGISCHE MOMENTE

in der blauen Stunde des Abends, die manchmal auch rosa und lila ist; wenn die Stille der Nacht vom Lärmen der Vögel bedrängt wird; die ersten Sonnenstrahlen auf der Haut nach einem langen Winter; satte, laue Sommerabende, die das Ende des Sommers ahnen lassen; wenn mich die feuchte Erde des Herbstes im Wald empfängt, der sich nach einem Sommerregen ganz anders anfühlt; es zum ersten Mal im Jahr wieder nach Schnee duftet oder der Duft von frischem Brot.

Das Tosen einer Großstadt, egal wo auf der Welt; wenn mich ein Geschmack auf der Zunge verblüfft oder ein Klang oder Wort berührt; ich Seeluft rieche; Sand zwischen nackten Zehen rieseln lasse; Seele sehe; ein Lächeln entdecke; Hund und Katz berühre; Kaffeebohnen riechen und durch meine Finger gleiten lassen; ein Löffel frischer Marmelade im Mund. Wenn plötzlich etwas geht, was vorher nicht ging; ich die Formationen von Schwärmen bestaune, den Tanz der Bäume im Wind oder winkende Blätter.

Freundin wieder sehen; schnurrende Katze im Schoß; in Babyaugen blicken; wohlwollend Nähe spüren; gesehen werden ohne Arg; das Gewicht eines Steins in meiner Hand; wenn alles laut ist und in mir ist es still; wenn ich des Zwischenraums gewahr werde und ihn ausdehnen möchte, was mir nur gelingt, wenn ich es sein lasse. In einen Augenblick sinken, die Nase in den Wind der Erinnerungen halten, schnuppern, was da gerade vorbei wehen mag, da sein.

 

24. März 2023

LANGEWEILE
Als Kind habe ich mich manchmal gelangweilt. Die Vorschläge meiner Eltern, was ich mit meiner Zeit anfangen könnte, waren durchweg sinnvoller Natur und hätten vielleicht sogar geholfen. Aber mich schreckten sie nur ab.  Zimmer aufräumen oder Hausaufgaben machen, versprach mir keine Erlösung von diesem unangenehmen Gefühl der Langeweile, eher im Gegenteil. Also zog ich mich zurück und lag missmutig in meinem Zimmer herum.  Mir blieb nichts anderes übrig, als das Gefühl auszuhalten. Und wenn ich das lange genug tat, kam immer von irgendwoher ein Impuls und meistens wurde ich kreativ, begann etwas zu erschaffen, geriet in ein „Gesummse“ und in die wundervolle Stimmung der Verbundenheit.

Manchmal langweile ich mich beim Feldenkrais, ja, ich gebe es zu. Dann liege ich da und denke: „Jetzt das Gleiche noch mal auf der anderen Seite, ojeh!“ oder „Was, noch eine Variante?“ oder „Wie spät es wohl sein mag?“. Und wenn ich mich dann einlasse, auf die Langeweile, auf das was ich spüre, entdecke ich immer etwas und die Langeweile ist verflogen.

Wenn wir uns langweilen, erleben wir einen Zeitraum als sinnlos und vertan. Vielleicht ängstigen wir uns vor der Leere, weil es dort nichts mehr zu geben scheint, an dem wir uns festhalten können? Wer sich langweilt, erlebt das meist als unangenehm, es ist wie etwas nicht annehmen zu wollen. Dabei kann Leere per se nicht unangenehm sein, wo nichts ist, kann auch kein Gefühl gebunden sein. Es ist also unsere Haltung dem Zustand gegenüber, freie Zeit zu haben und unser Unvermögen, die Gegenwart sinnvoll zu gestalten oder in ihr eine Sinnhaftigkeit zu entdecken. So ist Langeweile auch immer der empfundene Verlust von Selbstbestimmung, wir wissen nichts mit dem Moment anzufangen.

Wer guckt heute beim Warten noch einfach so vor sich hin und langweilt sich ein bisschen? Wer hält die übergänge im Leben aus, ohne sie gleich zu füllen, z. B. wenn wir nach Hause kommen oder eine Sache beendet und die nächste noch nicht begonnen haben oder von A nach B fahren? Und dient vielleicht auch die viele Selbstoptimierung der Verhinderung von leeren Zeiten (in denen sich sonst womöglich unsere ganze Kreativität entfalten könnte)? Und ist es wirklich sinnstiftend womit wir uns da dauernd beschäftigt halten?

Wenn die Gegenwart das Gefühl von Langeweile dominiert, bietet es sich an, dieses Gefühl nicht als Missstand sondern als Ereignis zu betrachten und neugierig zu studieren. Zulassen, aushalten und dem Unbehagen standhalten, bis die Situation uns offenbart, was sie für uns bereit hält. Langeweile motiviert, nach Sinn zu suchen. Das Wort Sinn entstammt dem indogermanischen sent, gehen, reisen, fahren, oder dem althochdeutschen sinnan, reisen, streben, trachten, oder dem lateinischen sentire, empfinden, wahrnehmen. Sich ein wenig bewegen, streben, empfinden und wahrnehmen klingt irgendwie nach Feldenkrais?

 

28. Januar 2023
Warum ist es manchmal so schwer Gewohnheiten zu ändern?

Die Feldenkrais Methode betrachtet zuerst, wie wir etwas tun und warum, um es sinnvoll verändern zu können. Erstmal müssen wir wahrnehmen, dass wir vielleicht nur den Hals verdrehen, wenn wir uns umschauen wollen, und dass uns das begrenzt. Wo begrenzt es uns? Was bräuchte es? Wir könnten darauf kommen, erst mal unser Becken aufzurichten, ein Knie und die Hüfte vorzuschieben und die Wirbelsäule ihre Möglichkeiten Richtung Kopf entfalten zu lassen. Das entlastet den Hals und wir können uns nicht nur weiter umschauen, es macht uns auch mehr Freude.

Also finden wir erst einmal heraus, wie funktioniert unsere Gewohnheit? Was geht dem Moment voraus oder nicht voraus, indem sich entscheidet, es wieder so zu tun, wie wir es schon immer getan haben? Wie könnten wir diesen Moment anders gestalten, um unser Leben angenehmer werden zu lassen? Voila, schon hast du Feldenkrais in dein Leben gelassen.

Mit bewegenden Grüßen
Anne Barthelmeß


9. Dezember 2022
Bei meinen Einzelstunden ist meine erste Frage in der Regel nach deinen Wünschen und das lässt sich nicht immer so leicht beantworten. Die Frage bezieht sich erstmal auf das, was dich geleitet hat, es mit Feldenkrais zu probieren und zu mir zu kommen. Oft taucht dann auf, was man sich nicht Wünscht, Schmerzen zum Beispiel, und es ist nicht immer ganz einfach, das so umzuformulieren, dass dabei etwas heraus kommt, was man sich tatsächlich wünscht.

Auch sonst ist es keine ganz so einfache Frage, wie es erstmal vielleicht scheint. Erst denkt man, klar habe ich Wünsche, ganz viele sogar. Oder man sagt, ich habe keine Wünsche mehr (wo sind denn die Wünsche deiner Kindheit oder Jugend geblieben, haben sie sich alle erfüllt?) Was wünscht du dir? Ich meine, was wünscht du dir wirklich? Was bedeutet dieser Wunsch für dich, was soll er dir erfüllen? Wie schmeckt oder duftet die Erfüllung, wie schaut sie aus oder fühlt sie sich an, was macht es mit dir, wenn sich der Wunsch erfüllt? Woran würdest du merken, dass dein Wunsch gerade in Erfüllung geht?

Als Kind wünschte ich mir Gegenstände, Unternehmungen oder auch Haustiere. Aber auch Superkräfte oder etwas von Bedeutung tun zu können, etwas, was bewegt, verändert und gesehen wird. Was ich mir von der Erfüllung meiner Wünsche erhoffte, waren immer Momente, in denen ich Nähe und Verbundenheit zu mir, anderen und der Welt empfinden konnte oder in denen ich versunken ins Leben sein konnte, etwas ausleben und ausprobieren konnte, was in mir steckte und heraus wollte.

In diesem Sinne, mit den besten Wünschen für 2023, Anne Barthelmeß